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29. August 2004 Joachim Adomatis

Flugbetrieb: Unfälle


Panik beim Abheben: Malwieder Werneuchen...

Wieder mal Werneuchen ! - Zwei spektakuläre Flugzeugunfälle auf einem Sonderlandeplatz mit weniger als tausend Starts im Jahr. Millionenschwere Personen- und Sachschäden. Staatsanwälte ermitteln. In einem der Fälle seit zwei Jahren. Beide Crashs haben ursächlich nichts miteinander zu tun. Auf zwielichtige Weise hängen sie doch zusammen.

Schade um die schöne Beech C-90B. Zerstört liegt sie auf einer Grasfläche 200 Meter vor der Schwelle der 26. Nur Minuten vorher war sie von da abgerollt, kam nicht recht hoch und wollte zurück, schaffte es aber nicht mehr. Drückend heiß war es am Spätnachmittag dieses Donnerstags, dem 12. August. Mit 33 Grad Celsius einer der wärmsten Tage dieses Sommers.

Langsam bewegte sich die zweimotorige Turboprop Beech ”King Air”, D-IHBP, der COMAIR Business Charter aus Vilshofen auf dem verschlungenen Rollweg zwischen bewaldeten MiG-Sheltern entlang.
Das Charterunternehmen ist eine Tochterfirma der Berger-Bau-AG Passau und erledigt im wesentlichen nur Flugaufträge des eigenen Konzern. Zwei- bis dreimal in der Woche flog die Maschine zwischen Werneuchen und Vilshofen hin und her. Regelmäßig auch wurden auch Dresden, Leipzig Breslau, Prag, Pilzen und Preßburg angesteuert. Überall, wo Bergerbau Projekte oder Niederlassungen hat.

An dem heißen Donnerstag Anfang August war sie früh um 6.30 Uhr LT vollbetankt in Vilshofen gestartet, via Rostock-Laage nach Werneuchen, um am Abend wieder in Vilshofen zu sein.

Vor der Schwelle der 26 in EDBW stoppte die bunte Beech. Die Piloten absolvierten die Kontrollchecks, prüften die Propellerturbinen: Einzeln, zusammen, Vollast. Alles normal. Langsam ruckte die Turboprop an, gewann an Fahrt, rollte, rollte und rollte.

Zwischen den großen, teilweise verworfenen Betonplatten der alten Rollbahn der Russen wächst Gras und es sprießen Reiser kleiner Laubbäume. Keiner der Passagiere, so sie aus den runden Flugzeugfenstern raus und nach unten blickten, würde so eine Oberfläche wie die unter ihren Flugzeugreifen dem Landverkehr als Autobahn oder Straße zugemutet haben.

Denn: In den sechs Passagieren vereinigten sich höchster Sach- und Fachverstand des modernen Straßen-, Beton und Brückenbaus. Die Unternehmensgruppe Berger unterhält in der Nähe des ehemals sowjetischen Kampfbomber-Stützpunkts einen Bau- und Materialhof.

“Die Beech hob träge von der heißen Piste ab”

Die weiße ”King Air” mit Farbstreifen längs des Rumpfes und einem großen schwarzen ”B” im gelben Feld des Leitwerks schien diesmal nicht hochzukommen, sagte eine Zeugin zu Pilot und Flugzeug. Sie hatte öfter schon den Start dieses Firmenflugzeug des Baukonzerns Berger AG beobachtet.

Am Ende der 1499 Meter noch verfügbaren Startstrecke der alten Russenpiste löste sich das Flugzeug doch noch abrupt vom heißen Beton. Es war 17.31 Uhr Ortszeit. Träge hob es sich über den hinter der Schwelle 08 geschütteten Wall. Unter sich hatte es nun noch einen weiteren Kilometer heißen Betons: Der entwidmete Teil der ehemaligen MiG-Basis.

Die Maschine gewann etwas Höhe, schwenkte dann aber in weniger als 300 Fuß, so die Zeugin, nach rechts und flog entgegen der Startrichtung zurück. Ohne weiter an Höhe gewinnen zu können, bewegte sich die ”King Air” auf eine mit Bäumen und Gebüsch bestandene kuppig ansteigende Pferdekoppel zu, kippte in wohl kaum 200 Fuß Höhe nach rechts, beschrieb unter Verlust der geringen Höhe einen Halbkreis und krachte mit beiden laufenden Turbinen zu Boden. Das noch ausgefahrene Fahrwerk riß ab, dann schlitterte die Beech über den Boden, drehte sich einmal um sich selbst, um auf dem gemähten Grasteil 200 Meter vor der Piste liegen zu bleiben, von der sie zwei Minuten vorher träge abgehoben hatte.

Bilanz: Sechs verletzte Passagiere, einer davon schwer, zwei verwirrte Piloten und ein zerstörtes Flugzeug. Alle sechs Passagiere bekleiden wichtige Positionen in der Führungsetage der Berger-Bau-AG. Unter ihnen war der Chefingenieur der Berger Asphalttechnik, der Prokurist der Abteilung Brückenbau sowie der Geschäftsführer für Beton- und Hochbau.

Tankdeckel offen und zwei Mann zu viel an Bord ?

Die Unfallursache ist noch unbekannt. Für Unfalluntersucher und Ermittler scheint es aber ein eher leichter Fall zu werden. Die Piloten sprechen von einem plötzlichen Leistungsabfall der Triebwerke. Dem widerspricht Andreas Wilke, Untersuchungsführer bei den Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) in Braunschweig.
Nach seinen bisherigen Ergebnissen gibt es keine Anhaltspunkte für einen Leistungsminderung. Im Gegenteil, beide Turbinen hätten noch beim Aufschlag unter Vollast gearbeitet.

An Bord sei Panik ausgebrochen, ist eine andere Version, weil Passagiere beobachtet hätten, wie aus den Einfüllstutzen beider Tanks Treibstoff entwichen sei.

Die Piloten hätten sich wohl aus diesem Grund zur Umkehr veranlaßt gesehen, hat Wilke protokolliert. Warum sie aber in knapp hundert Metern über Grund so gefährliche Manöver vollführt haben ist damit nicht erklärt.

Die Ermittlungsbehörden sprechen offen von ”menschlichem Versagen”. Die C-90B ist ein fünf- bis siebensitziges Flugzeug. Acht Personen seien möglich das ginge dann aber auf Kosten des mitzunehmenden Gepäcks, erfahren wir ganz offiziell von Beechcraft. Bei einem MTOW von 4.354 Kilo verträgt das Flugzeug eine Nutzlast 985 Kilo.

Die Lebendgewichte der acht Personen an Bord im Alter zwischen 30 und 60 Jahren sind noch nicht ermittelt und addiert worden. Was die sechs Topmanager jeweils an Aktengepäck verstaut hatten, wird nicht mehr festzustellen sein, denn sichergestellt worden ist nach dem Aufschlag davon nichts.

Am schwersten verletzt worden ist der Jüngste, er ist Chef der Berger-Asphalttechnik. Er saß auf einem über der Bordtoilette installierten Notsitz. ”Alles sicherheitsgeprüft und nach Vorschrift” versichert uns Beech Augsburg. “Diesen Sitz im Schwanz des Flugzeugs hat es total zerlegt”, sagte Untersuchungsführer Wilke zu Pilot und Flugzeug. Der junge Ingenieur erlitt schlimmste Wirbelsäulenverletzungen.

Die Staatsanwaltschaft in Eberswalde ermittelt nach 230StGB unter dem Tageszeichen 10682/129131/04/01. In Sachen Werneuchen mußten Ermittlungsbehörden schon wiederholt tätig werden. Noch immer steht in einem zwei Jahre alten Fall die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Frankfurt(Oder) aus. Unter dem Aktenzeichen 244Js35501/02 liegt bei der Justiz der Crash eines Airliners, zerschellt auf eben dem nachgenutzten Russenplatz Werneuchen.

Am Himmel ist die Hölle los

Ein Horrorszenario, das in den Studios von Hollywood hätte entworfen sein können. Es war Realität am Abend des 10. Juli 2002 am Himmel über der Bundesrepublik Deutschland und fand sein Finale auf der Piste von EDBW:

Flug LX-850 der SWISS-Crossair dauerte bereits 70 Minuten zu lange. Nur 85 Minuten insgesamt hätte sie Saab-2000 mit dem Kennzeichen HB-IZY auf der Strecke von Basel nach Hamburg unterwegs sein sollen. Sie irrte aber schon zweieinhalb Stunden mit wechselnden Zielen umher. Drei Verkehrsflughäfen hatten sie abgewiesen. Lange konnten der 33-jährige Kapitän und sein 28-jähriger Co die zweimotorige Turboprop nicht mehr in der Luft halten können. In der Kabine hinter ihnen 16 irritierte Passagiere, fest angeschnallt und betreut von zwei Stewardessen.


Fahrlässige Schlampigkeit bei Piloten, Flugzeug- wie Flugplatzhalter und Luftfahrtbehörden wirkten ursächlich zusammen.
© Adomatis 
Der 50-sitzige schnittige Regioliner befand sich inzwischen über der Mark Brandenburg, hart an der Grenze zu Polen. Auf der Flucht vor dem Sturmtief ”Anita”, das eine 12 Kilometer hohe schwarze Gewitterwand aufgebaut hatte. Auf der Suche nach einem sichern Landeplatz franste die Saab-2000 östlich von Berlin am Rande des Oderbruchs entlang. Tegel hatte Landeerlaubnis erteilt.

Gegen 20.30 Uhr aber machten auch die drei Berliner Flughäfen dicht. Nichts ging mehr. Über Berlin tobte der Orkan und der Kraftstoff der Saab-2000 ging zur Neige. ”Wir haben nur noch für wenige Minuten Sprit”, funkte der Pilot zu diesem Zeitpunkt mit Dringlichkeit an die Flugsicherung.

Darum wurde als Landeplatz jetzt Werneuchen vorgeschlagen. Er liegt wenige Kilometer östlich vom Final Approach Fix für die 26 von Berlin-Tegel. Piloten, die TXL von Osten her anfliegen, sehen beim Einschwenken auf den Glide Slope die langen Betonbahnen dieser alten Kampfbasis rechts unter sich neben einem kleinen Ort auf der Hochfläche des Barnim liegen.

Dorthin wurde die Saab-2000 mit Radar-Unterstützung durch ATC Berlin gelotst. Bis Sunset war es noch eine halbe Stunde. In Werneuchen war bis dahin kein Tropfen Regen gefallen. Der Pilot sah im Zwielicht der von Westen heranbrausenden Front aus seiner inzwischen eingenommenen Höhe von 3.500 feet die noch von den Russen gemalte Landerichtungszahl ”08” direkt vor sich und eine noch immer deutliche, zwei Kilometer lang durchgezogene Mittellinie.

Mit dem Sturmwind im Rücken senkte der SWISS-Bordkommandant die Nase der Saab und setzte um 20.43 Uhr kurz hinter den einst für die MiG-Kampfbomber gemalten Streifen der Aufsetzzone korrekt auf die Center Line. Erleichterung aber in Kabine und Cockpit. Doch dann, Alptraum jedes Piloten: Ein ohrenbetäubender Knall. Im Ausrollen war die Maschine gegen ein quer über die Bahn geschüttetes Hindernis gerast. Sie verlor das Hauptfahrwerk, das Bugrad grub sich durch den 70 Zentimeter hohen Erdwall. Der Rumpf krachte auf den Beton und rutschte noch 300 Meter auf den Motorgondeln weiter, Funken sprühten, wo die Flächen über die Bahn ratschen.

Schlampereien bei der Landesluftfahrtbehörde

Was geht eigentlich vor in der zivilen Luftfahrt ? - fragte Pilot und Flugzeug anläßlich dieses Unfalls in Heft 09/2002. Ganz gleich ob als Passagier passiv in der Kabine beim Whisky Soda oder aktiv handelnd im Cockpit, finden wir uns zunehmend konfrontiert und eingestrickt in ein Netzwerk, an dessen Knoten Fehlleistung, Kompetenzgerangel, Laisser-faire anzutreffen sind. Aktuelle Katastrophen lassen aufschrecken.

Die Frage, wie ein solcher Platz 1997 hat zugelassen werden können, stellte sich erstmals nach dem Unfall im Sommer 2002:

”Die Saab-2000 hätte noch heil sein können, wenn der 70 Zentimeter hohe Erdwall auf der Landebahn nicht gewesen wäre”, sagte Fritz Kühne, der damalige Untersuchungsleiter bei der BfU. Der Pilot hat trotz des Sturmwinds im Rücken eine Perfekte Landung hingelegt. Für Kühne aber unverständlich ist, wie eine Luftfahrtbehörde einen Landeplatz mit solchen Mängeln unbeanstandet lassen konnte.” Das Hindernis soll dort 1998 hingeschippt worden sein.

”Die alten Pistenzeichen, Mittellinie, Pistenschwelle und Distanzmarkierungen innerhalb der früheren Aufsetzzone sind immer noch vorhanden, Sperrmarkierungen beim Anflug nicht auszumachen”, schrieb auch die SWISS in ihrem Unfallbulletin von 2002.

Unfallinspektor Kühne sagte nach dem neuen schweren Unfall in Werneuchen zu Pilot und Flugzeug: ”Beide Unfälle haben zwar ursächlich nichts miteinander zu tun. Aber wir haben anläßlich dieses aktuellen Vorfalls die Landebahn noch einmal überflogen und keine Sichtkennzeichnungen vorgefunden, die den aktiven von dem entwidmeten Teil der Bahn deutlich trennen. Und der Wall ist immer noch da, aus der Luft aber nicht als Hindernis zu erkennen.

BfU: “Ein dubioser Landeplatz”

Die Liegenschaft ist im Besitz des Landes Brandenburg. Die Treuhandverwaltung obliegt der Brandenburgischen Bodengesellschaft GmbH. Sie versucht diese wie andere alte Militärbrachen mit wenig Erfolg zu vermarkten. So kommt es, daß Flugbetriebsflächen für nur nominale Beträge verpachtet werden. Die Treuhand spart die sich damit die Bewachungskosten ein. Die Nutzer zerhausen die vorhandene Anlagen bis sie nicht mehr betriebsfähig sind. Niemand ist bereit etwas zu investieren. Nicht mal einige Kilo Farbe um alte Markierungen unkenntlich zu machen.

Was aber hat der eine mit dem andern Flugunfall zu tun? Einiges!

Was beide Flugzeugzerstörungen in einem Zwielicht erscheinen läßt ist die Identität der Halterschaft. Das Flugzeug D-IHBP gehört der zur Bergergruppe zählenden COMAIR und der Sonderlandeplatz EDBW wird betrieben von der Bergerbau AG. In den offiziellen Zulassungspapieren vom 11.07.1997 steht “der Sonderlandeplatz dient dem Werks- und Geschäftsverkehr der Firma Berger-Bau”. Die zweieinhalb Kilometer lange Landebahn wurde bei der Neuzulassung um 900 Meter verkürzt. În der im Sommer 1997 gegründeten Betreibergesellschaft übernahm Bergerbau Vorsitz und Geschäftsführung. Daneben tummelt sich noch ein desperater Haufe von Haltern unterschiedlichsten Kleinfluggeräts zwischen den alten Anlagen.

Zweimal Werneuchen: Hohe Personen- und Sachschäden beide Male. Fahrlässige Schlampigkeit bei Piloten, Flugzeug- wie Flugplatzhalter und den Luftfahrtbehörden wirkten in beiden Fällen zusammen. Es ist das verflixte Laisser-faire, das wir uns in der Luftfahrt nicht leisten dürfen: Als Piloten nicht, Flugzeughalter nicht, als Landeplatzbetreiber nicht. Und Laisser-faire ist es, das beide Unfälle auf dem Werksflugplatz Werneuchen verbindet. “Ein dubioser Flugplatz”, sagt uns auch der Untersuchungsführer bei der BfU. Wie lange noch ?

Lesen Sie den ausführlichen Bericht im Septemberheft von Pilot und Flugzeug !


  
 
 




30. August 2004: Von Thomas Knapp an Joachim Adomatis
Sehr geehrter Herr Adomatis,

ehrlich gesagt: es sind diese reißerisch im Boulevardstil geschriebenen Artikel, die mich immer wieder davon abhalten, Pilot und Flugzeug zu abonnieren. Man kann ja ruhig auch so schreiben, dass es spannend und unterhaltend ist (bspw. Artikel "Es liegt auch an uns!"), aber warum muss man immer gleich auch negative Emotionen provozieren?

Herzliche Grüße, Th. Knapp.
30. August 2004: Von Walter Kronester an Joachim Adomatis
Sehr geehrter Herr Adomatis,

ehrlich gesagt: es sind (auch) diese "reißerisch im Boulevardstil" geschriebenen Artikel, die mich immer wieder bewegen, Pilot und Flugzeug zu abonnieren - neben einigen anderen Argumenten. Luftfahrt-Zeitschriften mit dem Appeal von Schulbüchern gibt es genug.

Herzliche Grüsse und weiter so
Walter Kronester
1. September 2004: Von airklaus an Walter Kronester
Hallo Walter,
bin der gleichen Meinung

Gruß vom AirKlaus aus Hamburch

4 Beiträge Seite 1 von 1

 

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